Mai 11, 2020

Das Büchlein im Blumenband

Ein Mann erwarb ein Büchelein in buntem Blumenband; drin schrieb er alle Lieder ein; die seine Lieb’ erfand.

Er sang von der Geliebten Mund,
vom Sanftschwung des Genicks,
bekannte seinen Sinnenschwund
im Soge ihres Blicks.

Und er vergaß das Dichten nie,
war ganz davon berauscht.
Die Liebe blieb, doch wurde die
Besungene getauscht.

Und jede, die er neu besang,
entflammte neu sein Herz;
manch wunderbares Lied entrang
sich seinem tiefsten Schmerz.

Das Büchlein in dem Blumenband,
das ist nun vollgeschrieben:
Der Sänger starb. Vor Dichten fand
er niemals Zeit zum Lieben.